Beschreibung des Mustertuchs von Egidius Annot ("der verrückten Annot", HK 1968-061)


Die Leiden und der Tod Christi
(Text: Leo Wuyts; Übersetzung: Hilde Jacobs & Sophie Kretschmer)

Dieses Mustertuch von Egidius Annot ist eins der bemerkenswertesten Exemplare aus der Sticklappensammlung des Königlichen Kreises für Heimatkunde von Kontich.  Es ist kein Sticktuch im strikten Sinn, sondern mehr eine Bildgeschichte, das der Sticker selbst „Die Leiden und der Tod Christi“ nannte.

Zentral steht die Darstellung des Weihnachtsgeschehens mit als Erstes „Die Geburt Jesu“.  In einem Stall liegt das neugeborene Christkind in einem mit Spitze geschmückten Bettchen, flankiert von Josef und Maria.  Links stehen der Ochse und der Esel.
Unter dem Dach des Stalles  schweben zwei Engelchen, die ein Banner mit den Worten „Ehre sei Gott usw.“ halten.  Dies sind die ersten Worte des Lobgesangs „Ehre sei Gott in der Höhe und Friede auf Erden den Menschen seiner Gnade“.  Aus Platzmangel fügte Egidius einfach “usw.“ nach den ersten drei Worten hinzu.
Außerdem sieht man in dem Stall zwei Hirten mit fünf Schäfchen.  Auch die drei Weisen sind schon anwesend, geführt vom Stern, den man über dem Stall stehen sieht.

Links vom Weihnachtsstall wird „Die Flucht nach Ägypten“ dargestellt.  Die zwei Bäumchen darüber könnten Lebensbäume sein; in diesem Zusammenhang können sie aber auch als symbolische Darstellung der wüsten und unbewohnten Gegend, die die Familie auf dem Weg nach Ägypten durchqueren musste, gemeint sein.

Rechts des Weihnachtsstalls ist ein Segelschiff dargestellt.  Dieses kann als symbolische Darstellung „Der Rückkehr aus Ägypten“ betrachtet werden.  Die Heilige Familie könnte  mit dem Boot nach Palästina zurückgekehrt sein.

Links unten am Sticklappen ist die Geschichte von „Christus im Tempel“ dargestellt worden.  Der zwölfjährige Jesus, der in dem Tempel zurückgeblieben war, wo ihn Josef und Maria drei Tage später inmitten der Schriftgelehrten wiederfanden.

Unten mittig sieht man „Das letzte Abendmahl“:  Jesus inmitten seiner Jünger hinter einer langen Tafel.

Rechts findet man dann Christus, betend im Olivenhain von Gethsemane.  Ein Engel reicht ihm den symbolischen Becher.

Die Fortsetzung der Geschichte, die eigentliche Passion Christi, wurde im oberen Teil des Sticktuchs ausgearbeitet.  Es fängt mit „Der Gefangennahme“ oben rechts an.  Christus ist gefesselt und wird unter Bewachung eines Tempelwächters und zweier Diener zum Verhör ins Gerichtshaus weggebracht.  Der Tempelwächter wird hier als ein Gendarm aus dem 19. Jahrhundert dargestellt.

„Die Befragung Christi“ wird symbolisch durch das Gebäude rechts dargestellt.  In dem Gebäude sieht man hinter den Fenstern der oberen Etage die Köpfe der Befrager, zu denen auch König Herodes gehört.

Unter dem Gerichtshaus sieht man noch ein kleineres Gebäude.  Wahrscheinlich stellt dieses das Praetorium, die Residenz von Pilatus, dar.

Darunter ist „Die Verleugnung durch Petrus“ abgebildet.  Man sieht wie Petrus beide Hände auf den Ohren hält um das Krähen des Hahnes nicht hören zu müssen. Oder ist es ein Schrei der Verzweiflung.

Neben dem Praetorium sieht man „die Geißelung Christi“.  Jesus steht nackt an einer Säule und wird von zwei Gerichtsdienern mit einem Zweigbund und einem Stock geschlagen.

Zuletzt ist „Die Kreuzigung Christi“ abgebildet.  Jesus am Kreuz mit der Mutter Maria rechts und links Johannes.  Ein wenig weiter zwei Gerichtsdiener, Stephaton und Longinus, und links dieser Szene die römischen Wächter: der Hundertmann auf dem Pferd und drei Soldaten, auch hier wieder als Gendarmen aus dem 19. Jahrhundert dargestellt.

Egidius Annot wurde am 3. Juli 1816 in Duffel, einer Nachbargemeinde von Kontich, geboren.  Er war Großbauer in Waarloos, einer Teilgemeinde von  Kontich, wo er auch am 18. Februar 1912 starb.  Er wurde also 95 Jahre alt, ein für diese Zeit außergewöhnlich hohes Alter.
Wahrscheinlich war er ein sehr frommer Mann, wovon das Thema seines Handarbeitstuchs zeugt.  Dieses Tuch stickte er 1853.
In Waarloos nannte man ihn „den verrückten Annot“.  Vielleicht weil das Sticken als eine eher ungewöhnliche Beschäftigung für einen Bauern galt.

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